‚my7cents’: Axel Gedaschko über die Notwendigkeit für Schnittstellen zwischen Wohnungswirtschaft, Politik und digitalen Diensten
Seit 2011 ist Axel Gedaschko Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW (mit dem wir seit Juni 2018 kooperieren) und setzt sich gegenüber Politik, Wirtschaft und Medien für die Interessen der Regionalverbände und deren Mitglieder – rund 3.000 Wohnungs- und Immobilienunternehmen in ganz Deutschland – ein. In der Digitalisierung sieht er viele Chance und Entwicklungsmöglichkeiten für die Wohnungswirtschaft sowie für Städte und ländliche Räume. Mehr dazu verrät er uns diese Woche in unserer Reihe „my 7 cents”.
Was halten Sie für maximal unterschätzt im Rahmen der Digitalisierungsdebatte im Immobilienumfeld?
Viele Immobilienunternehmen unterschätzen völlig die Möglichkeiten der Eindringung branchenfremder Anbieter in die Welt des Wohnens. Marktgiganten wie Amazon und Google tummeln sich bereits auf dem “Smart Home” Geschäftsfeld. Die Beispiele von Uber, der Taxivermittlung ohne ein Taxi, und Booking.com, der Hotelvermittlung ohne ein Hotelzimmer, sind längst überstrapaziert. Dennoch, hier haben sich digitale Plattformen eine Marktposition erobert, die in die Preispolitik und Dispositionsfreiheit der betroffenen Branchen erheblich eingreifen und diese wesentlich bestimmen. Vor solchen Entwicklungen ist zwar keine Branche gefeit, es gibt aber nur gute Chancen für diejenigen, die selbst aktiv werden. Genau das müssen wir alle jetzt tun.
Welchen Satz können Sie nicht mehr hören im Zusammenhang mit der Digitalisierung im Immobilienumfeld?
Eindeutig den Satz “darum kümmern wir uns später”. Es wartet niemand auf uns, andere, branchenfremde Unternehmen sind schon dabei die Möglichkeiten der Digitalisierung speziell im Wohnungsumfeld für sich zu nutzen. Die Digitalisierung ist schon längst da! Die Frage ist nur, ob wir sie mitgestalten oder die Chance an uns vorüberziehen lassen. Aus meiner Sicht ist es unumgänglich, das branchenerfahrene Wohnungs- und Immobilienunternehmen den Markt mitgestalten und so auch die Qualität neuer digitaler Angebote sichern.
Welche digitale Lösung im Immobilienumfeld vermissen Sie noch?
Ein gut angepasstes Building Information Modeling (BIM) für die Wohnungswirtschaft, um durch die digitale Planung Bau- Wartungs- und Lebenszykluskosten eines Gebäudes noch präziser kalkulieren zu können. Außerdem die digitale Vernetzung mit den Baugenehmigungsbehörden. Damit steht die Immobilienbranche allerdings nicht alleine da, die digitale Vernetzung der Behörden in Deutschland läuft allgemein schleppend.
Was sind die drei interessantesten digitalen Dienste, die Sie in den letzten sechs Monaten im Immobilienumfeld gesehen haben?
Das Programm Fresh Energy. Mithilfe eines Smart Meters (intelligenter Stromzähler) wird der Stromverbrauch eines Haushalts detailliert gemessen und aufgeschlüsselt. Über eine App kann der Verbraucher genau sehen, wieviel Energie er wofür verbraucht. Dadurch kann der Energieverbrauch besser gesteuert und verringert werden. Mit der App magicplan können Grundrisse ganz einfach mit dem Smartphone oder dem Tablet erstellt werden. Mit der App können die Ecken des Raumes digitalisiert und zu einem Grundriss verarbeitet werden. Auf Basis dieses Grundrisses können dann beispielsweise Materialmengen und Kosten für Baumaßnahmen errechnet werden. Der dritte Dienst ist Atmosphere , eine digitale Dolmetscherplattform die Messenger-Anfragen von Privatpersonen in Arbeitsabläufe in Unternehmen übersetzt.
Wenn Sie Immobilieneigentümer wären: was würden Sie mit Blick auf Digitalisierung als Erstes tun?
Ich würde mit meinen Mitarbeitern eine 360 Grad Digitalisierungsstrategie entwickeln. Es ist wichtig, alle Beteiligten in einem Unternehmen von Anfang an in die Entwicklungen, die die Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen mit sich bringt, einzubinden. Digitalisierung bedeutet nicht zwingend den Verlust von Arbeitsplätzen, aber mit Sicherheit eine Veränderung der Arbeitswelt und der Aufgaben innerhalb eines Unternehmens.
Wären Sie bei einer Behörde tätig, und könnten etwas ändern, damit die Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft schneller voranschreitet: Was wäre das?
Das Wissen um die Möglichkeiten und Potenziale der Digitalisierung sowie die technischen Kenntnisse zur Umsetzung sind essentiell, fehlen aber an vielen Stellen. Deshalb würde ich versuchen Schnittstellen zwischen der Verwaltung, den Programmen der Wohnungswirtschaft und der digitalen Welt schaffen. Die Bündelung von Informationen ist hier extrem wichtig. Wir haben im Vorfeld der neuen Koalition ein Digitalisierungsministerium mit Kompetenzen auch im Immobilienbereich gefordert, das alle Aktivitäten der Bundesregierung im Bereich Digitalisierung bündelt und wirksam vorantreibt. Wir freuen uns über die Staatsministerin für Digitalisierung im Kanzleramt, Frau Dorothee Bär, glauben aber nicht, dass dies ausreicht.
Bei welcher Firma – Allthings und Ihre eigene ausgeschlossen – würden Sie gerne mal eine Woche als Insider mitlaufen?
Bei Google. Die Möglichkeiten, die Google als riesen Konzern in den Bereichen Forschung und Produktentwicklung hat, sind schon faszinierend. Es wäre spannend einen Blick in die Google Labs zu werfen und zu sehen wie weit dort die Zukunft voraus gedacht wird. Besonders interessieren mich da natürlich die Ideen und Produkte zur Automatisierung und Digitalisierung des Bauens und Wohnens.
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