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‚my7cents’: Wolfgang Moderegger über überschätzte Startups, Co-Living und den Wert von Daten

Geschrieben von Thomas Ulrich | 25. September 2019

Wolfgang Moderegger ist Mitgründer des Real Estate Innovation Network (RE!N). Nach einem Architekturstudium in München baute er ein eigenes Planungsbüro auf. 1998 gründete er die AIS Management GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter er bis heute ist. Er beschäftigt sich als Leiter von Arbeitskreisen, Arbeitsgruppen und Ausschüssen u.a. mit den Themen Industrieservices, Produktionsinstandhaltung und Gebäudebewirtschaftung. Was er zur Digitalisierung der Immobilienbranche zu sagen hat, verrät er uns diese Woche in unserer Reihe ‚my7cents’.

Was hältst Du für maximal unterschätzt im Rahmen der Digitalisierungsdebatte im Immobilienumfeld?

Durch die Digitalisierung werden sich Geschäftsmodelle vollständig verändern. Das wird mitunter dazu führen, dass etablierte Unternehmen verschwinden werden. Man nehme das Asset Management. Das wird – früher oder später – durch eine vollständig digitale Asset Management Plattform abgelöst. Solche Plattformen werden vermutlich eher von außen kommen, z.B. aus dem FinTech Bereich, als von der Immobilienbranche.

Was hältst Du für maximal überschätzt im Rahmen der Digitalisierungsdebatte im Immobilienumfeld?

Startups halte ich für größtenteils überschätzt, und im Speziellen deren Qualität im Sinne von am Markt nachgefragten Lösungen. Man muss es mal auf den Punkt bringen: Es gibt zu viele mittelmäßige Startups. Um Innovation nachhaltig in die Branche zu bringen, sollten thematisch aneinandergrenzende Startups gezielt gefördert werden. Daraus können sich dann größere Unternehmen entwickeln, die wirklichen Einfluss auf das Wachstum und die Weiterentwicklung der Branche haben

Wovon warst Du mal überzeugt, und bist es heute nicht mehr in Bezug auf die Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft?

Ich glaube heute nicht mehr, dass Startups die Immobilienbranche digitalisieren werden. Startups sind lediglich ein Katalysator für die Digitalisierung. Einerseits machen sich etablierte Unternehmen aus der Branche selbst auf den Weg, andererseits sorgen große Player wie Amazon und Google für Digitalisierungsschübe. Man nehme die IoT Strategie als Beispiel – dort dominieren Alexa und Google Home den globalen Markt für Sprachsysteme. Startups werden natürlich eine Rolle spielen, aber bei weitem nicht so eine große wie ich ursprünglich mal angenommen habe.

Was sind die drei interessantesten digitalen Dienste, die Du in den letzten sechs Monaten im Immobilienumfeld gesehen hast?

Im Bereich der Immobilienbewertung sehe ich, dass datenbasierte Dienste wie 21st Real Estate, DataScience Service, Geospin, Geomatrix, Skenario Labs und Urban Data Analytics hochpräzise Bewertungen erlauben und mittelfristig den klassischen Immobilienbewerter ablösen werden.

NavVis, Giraffe 360, Insider Navigation oder Spectando verbessern die digitale Vermessung, Erstellung von 3D-Modellen und virtuelle Besichtigungen.

Im Retail ermöglicht die Messung der Passantenfrequenz durch Lasertechnologie, z.B. von Hystreet.com, und durch Mobilfunkdaten, z.B. von Placense, datenbasierte Entscheidungen zur Gestaltung von Innenstädten.

Uber hat die Taxibranche aufgemischt. Siehst Du schon ein Uber für die Immobilienindustrie?

Ein echtes Uber sehe ich für die Immobilienindustrie noch nicht. Dafür ist die Datenhaltung meines Erachtens noch zu fragmentiert. Wenn die Branche irgendwann einmal ein Uber hervorbringt, denke ich, dass es nicht aus der Optimierung des operativen Bereichs geboren wird, sondern wir es im Bereich der Datenanalyse, -aufbereitung- und –verwertung finden werden. Aktuell sehe ich Cloudscraper und Evana als mögliche Kandidaten, sofern sie eine signifikante Größe erreichen sollten.

WeWork hat dank digitaler Technologien das Nutzungskonzept Co-Working-Space bekannt gemacht: was wird das nächste Nutzungskonzept, das auf geteilten Ressourcen beruht?

Das Konzept Co-Working wird auf den Bereich Co-Living ausgeweitet. Wir werden zunehmend hybride Assetklassen sehen – eine Kombination aus Hotellerie, Co-Working, Studentenapartments und Serviced Living – welche die positiven Dinge des Sharings rund um das Leben und Arbeiten in Gebäuden vereinen. Letztes Jahr startete WeWork sein Co-Living Konzept „WeLive 2.0“, welches weiter ausgebaut wird.

Zu dem Thema „Student Hotels, Serviced Apartments – Hotel Concepts for the next Generation?“ haben wir am zweiten Tag der EXPO REAL auf dem Real Estate Innovation Forum in Halle A1 eine Panel Diskussionen bei der u.a. Charlie Macgregor von The Student Hotel und Marc Jongerius von Zoku Amsterdam teilnehmen.

Bei welcher Firma – Allthings und Deine eigene ausgeschlossen – würdest Du gerne mal eine Woche als Insider mitlaufen?

Bei dem Blockchain Startup Brickblock, die im Rahmen ihres ICOs knapp $13 Mio. eingesammelt haben oder bei der Immobilienbörse Cloudscraper. Bei beiden Startups würde mich interessieren, wie das Geschäftsmodell in der Realität aussieht und ob dahinter tatsächlich das ganz große Geld steckt.